Wenn Wohnwünsche wahr werden

Wenn es um die großen Lebenswünsche geht, sind wir ziemlich einfallslos: Fast jede*r zweite Deutsche (49 Prozent) möchte ein Buch schreiben. Ungefähr genauso viele haben als Wunsch, in ein Ein- und Endfamilienhaus zu ziehen. Ertappt? Macht nix. Es gibt auch typische Wunschmöbel, in denen sich die Sehnsucht nach einem besseren Leben bündelt. Ein Eames-Lounge-Chair zum Reinfläzen und Platten hören, dürfte zum Beispiel bei vielen Männern hinter dem Porsche auf der ewigen Liste stehen.

Feingeister liebäugeln hingegen seit Jahrzehnten mit einem Daybed. Schließlich gibt es
da wundschöne Exemplare, aber noch viel verlockender ist die Idee dahinter – selbstbestimmtes Arbeiten, elegante Work-Life-Balance, Mußestunden nebst geschmackvollen Bildbänden. All diese Premiumversprechen scheinen bei Anschaffung eines Daybeds in Erfüllung zu gehen. Es ist Inbegriff privilegierten Wohnens, weil man erstmal den Platz für ein Möbel haben muss, das man nur für gelegentliches Ausruhen nutzt. Erfüllt man sich diesen Traum eines Tages, wird man feststellen, dass das Leben erstaunlich unverändert weitergeht – und man mit dem Daybed vorrangig eine neue Ablagefläche für Haustiere und Bügelwäsche geschaffen hat. Auch die Bücherleiter ist ein ewiges, bürgerliches Wunschutensil. Bücherregale gibt es viele, erst eine kleine Leiter, um an die obersten Regalmeter zu gelangen, macht das Ganze zur Bibliothek und die Besitzer*innen zu Privatgelehrten. Wie beim Daybed ist dabei die Botschaft wichtiger als die Funktion: Hohe Altbauwände, gedämpfter Schritt, philanthropisches Gesamtbefinden – das strahlt die Leiter aus. Ich kenne Menschen mit Bücherleiter, die mir versichert haben, dass sie nie benutzt wird und man sich kolossal den großen Zeh daran stoßen kann. Aber auf Partys wäre sie eben unschlagbar als Distinktions-Verstärker.

In den letzten Jahren hat sich zu solchen Dauerwünschen auch noch der Schwimmteich gesellt. Wenn man alles andere schon hat, zumindest das Einfamilienhaus und das Daybed, dann ersehnt man einen Schwimmteich. Ein herkömmlicher Pool ist profan und nicht nachhaltig, ein Schwimmteich aber, das bedeutet naturnahes Leben, bei gleichzeitiger Wahrung der Pool-Annehmlichkeiten. Ohne spoilern zu wollen – auch dabei ist die Vorstellung unkomplizierter als die Praxis, die die Schwimmteich-Besitzer*innen oft ganz schön auf Trab hält. Aber das ist vielleicht gut so, sonst schreiben die am Ende wirklich alle auch noch ihre Bücher.

Text: Max Scharnigg
Illustration: Clo’e Floirat

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