Designgeschichte(n)
Stuhl Bell – DER SCHÖNE
Ob im sizilianischen Strandcafé, dem deutschen Kleingarten, einer afrikanischen Kirche oder im Straßenrestaurant in Bangkok, es gibt kaum einen Ort, an dem der Monobloc nicht im Einsatz ist. In Tulum an der mexikanischen Küste findet er sich sogar als umfunktioniertes Personentaxi wieder. Es scheint tatsächlich, als wäre der omnipräsente weiße Kunststoffstuhl aus einem Guss das beliebteste Möbel der Welt.
Ein Stuhl, der überall steht und den jeder versteht. Zumindest, um sich mal kurz zu setzen. Denn ästhetische Anmut ist ihm leider fremd und auch die Zeit geht nicht spurlos an ihm vorüber. Gestaltungsrichtlinien verbannen den Monobloc sogar von öffentlichen Plätzen. Er gilt als Inbegriff billiger Massenware und Paradebeispiel unserer Konsumgesellschaft. Dabei hat der ausladende Plastikstuhl die Form zu Höherem. Und damit ist nicht nur seine Stapelkunst gemeint. Denn seine Idee ist philosophisch betrachtet die Urform zur unendlichen Reproduktion und geht auf den Wunsch zurück, einen einfachen Stuhl aus nur einem Stück zu gewinnen – monobloc. Was mit Klassikern wie dem „Panton Chair“ oder dem „Bofinger-Stuhl“ begann, fand 1972 mit dem „Fauteuil 300“ des französischen Ingenieurs Henry Massonnet den perfekten Prototyp. Ein leichter, stapelbarer Stuhl, der in weniger als zwei Minuten im Spritzgussverfahren aus Polypropylen hergestellt war. Für jeden erhältlich und bezahlbar. Der Archetyp des demokratischen Stuhls. Wäre da nicht sein Plastik, das an seinem weißen Image kratzt. Dem bereitet der BELL CHAIR ein Ende und setzt obendrauf sogar noch Schönheit, Eleganz und feine Farben.
In langen Reihen in spirituellem Weiß – der Monobloc auf einem Kirchentag beim Freiluftgottesdienst.
An der mexikanischen Karibikküste in Tulum werden in der Hauptsaison Lastenfahrräder in Personentaxis umgewandelt.
Monoblock in einem griechischen Straßencafé.
Der Designer Konstantin Grcic ist bekannt für seine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit Materialien und Technik. Für seine Entwürfe geht er gern an deren Grenzen und eröffnet dadurch neue Möglichkeiten. So auch beim BELL CHAIR, den er gemeinsam mit dem italienischen Möbelhersteller Magis in den privaten wie öffentlichen Raum stellt. Mit gutem Grund und Gewissen. Denn der neu interpretierte Monobloc ist nicht nur formschön, für ihn hat der Industriedesigner zusammen mit einem Kunststoffhersteller auch ein neues Material aus nachhaltigem Polypropylen entwickelt, das aus Industrieabfällen von Magis und der regionalen Automobilindustrie gewonnen wird. Neu ist somit nur die patentierte Idee und nicht das verwendete Material. Ein Stuhl, leicht an Gewicht und hoch an Qualität. Hergestellt aus nur 2,7 Kilogramm Kunststoff, der zu 100 % recycelbar ist. Und das zu einem erschwinglichen Preis. Kurz gesagt, endlich ein Monobloc, der definitiv die Gestaltungsrichtlinien aufbricht und mitwirkt, die Industrie zum Umdenken anzuregen. Denn mono ist hier nicht nur die Form, sondern auch die Einzigartigkeit des Materials, das erhalten bleibt. So wird sogar plastic fantastic.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem im Frühjahr erscheinenden Buch "50 Jahre 50 Produkte – Designgeschichte(n) erzählt von MAGAZIN".
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