Eins – Setzen
Mit dem EINSER hat MAGAZIN den ersten eigenen Stuhl im Programm. Das schlichte Holzmodell wird in einem jungen Betrieb in Slowenien gefertigt, wo die Tradition der Holzmöbelherstellung weit zurückreicht. Spannende Details sorgen für Charakter – etwa die farbigen Metallbügel, mit denen die Lehne befestigt ist.
Text: Bettina Homann
Kann man von einem Stuhl sagen, dass er sich wohlig an den Körper schmiegt? Es mag nicht nach einer naheliegenden Beschreibung klingen, aber genauso fühlt sich Probesitzen auf dem EINSER an. Dank einer leichten Mulde drückt die Sitzfläche nicht gegen die Sitzbeinhöcker. Die geschwungene Lehne bietet dem Rücken Halt, ohne die Beweglichkeit einzuschränken. Eine bequeme Position findet sich wie von selbst – kein unruhiges Herumrutschen nötig. Der schlichte Holzstuhl gehört zu den Neuzugängen unter den MAGAZIN-Produkten. Aber: Gibt es nicht schon unendlich viele Stuhlmodelle auf dem Markt? Kann man da tatsächlich noch etwas Neues erfinden? „Es ist natürlich ein Feld, auf dem es bereits viel gibt“, sagt Daniel Kern. „Aber einen Stuhl will man in einer eigenen Kollektion definitiv haben. Er ist ein charismatisches Möbelstück und hat einen höheren Wiedererkennungswert als beispielsweise ein Regal“, so der Designer und Leiter der MAGAZIN-Produktentwicklung. Als Signature Pieces einer Möbelkollektion und Grundausstattung jeder Wohnung sind Stühle – menschheitsgeschichtlich betrachtet – eine eher jüngere Errungenschaft. Unsere Vorfahren saßen auf Steinen oder Fellen. Die ersten vierbeinigen, mit Lehnen versehenen Sitzgelegenheiten waren Kaisern und Königen vorbehalten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieben Stühle Ausdruck von Wohlstand und Macht, sie wurden handwerklich gefertigt. Erst mit dem Wiener Kaffeehausstuhl Mitte des 19. Jahrhunderts begann die industrielle Massenproduktion, die Preise wurden erschwinglich.
Daniel Kern empfängt im Designbüro von MAGAZIN in Berlin, umgeben von Prototypen der hauseigenen Kollektion. Da ist die Truhe CMB, die nicht nur verstaut, sondern gleichzeitig auch als Sitzmöbel fungiert, das Tischgestell ZEHDENICKER und viele bunte DS-Container. Stapel von Zeichnungen deuten darauf hin, dass hier eifrig getüftelt wird. An einem Haken hängt ein Stoffbeutel mit der Aufschrift „Better done than perfct“. Der Spruch führt allerdings ein wenig in die Irre – geht es doch dem MAGAZIN-Designteam durchaus um Perfektion. „Das Wichtigste für uns sind die Produktion in Europa, Nachhaltigkeit, kostengünstige Herstellung durch gut durchdachte Konstruktion“, sagt Kern. Daraus ergab sich die Frage: „Wie stark kann ein Stuhl vereinfacht werden, ohne beliebig zu werden?“ Zunächst einmal schaute Kern bei L.ask in Borovnica vorbei. Bei der Recherche nach Fertigungsstätten für das Stuhlprojekt war MAGAZIN auf den Betrieb in der Nähe der slowenischen Hauptstadt Ljubljana gestoßen. Das Unternehmen verfügt über das nötige Know-how – und ist nicht so groß, dass man an der eher kleinen Startauflage des EINSER-Stuhls kein Interesse hätte.
„Slowenien“, erklärt Kern, „war früher groß im Holzmöbelbau, mit enormen Exporten, aber viele Betriebe sind Konkurs gegangen.“ L.ask konnte aus den Traditionsbetrieben geschultes Fachpersonal und Maschinen übernehmen. Zum Beispiel einen für die Fertigung von sogenannten Spindelstühlen entwickelten Bohrautomaten. „In der Werkhalle stand so ein grünes Ungetüm mit ganz vielen Bohrern drin, die teilweise in ganz merkwürdigen Winkeln justiert waren.“ So entstand die Idee der halbrunden Bohrungen an der Sitzfläche des EINSERs, in die Rundhölzer als Stuhlbeine eingeschraubt werden. „Das ist sowohl ein schönes Detail als auch eine extrem stabile Passung“, erklärt Kern. Gerade Holzstücke schonen Ressourcen im Gegensatz zu geschwungenen, da sie nicht aus einem größeren Stück herausgeschnitten werden. Für ausgewogene Proportionen sorgt der abgerundete Ausschnitt unterhalb der Rückenlehne. Wenn Kern den Stuhl anhebt, um auf dieses Detail hinzuweisen, dabei sanft mit der Hand über das glatte Holz streicht, wirkt er auf seine zurückhaltende Weise stolz. Wie ein Geigenbauer, der ein besonderes Instrument in Händen hält. Die Rückenlehne ist durch zwei farbig abgesetzte Metallbügel mit den Hinterbeinen verbunden, was der Lehne Leichtigkeit und federnden Komfort verleiht – und EINSER ein charakteristisches Detail. „Diese Verbindung macht den Stuhl komfortabler, und wir können hier mit unseren starken Farben einen Akzent setzen“, so Kern.
Bis auf die Leimverbindung von Zarge und Sitzfläche sind alle Teile des Stuhls mit Schrauben verbunden, die deutlich sichtbar sind. Diese einfache Konstruktion macht es möglich, dass man den Stuhl nicht nur fertig montiert kaufen kann, sondern in der unbehandelten Variante auch flach verpackt zur Selbstmontage. Das freut den Designer besonders. Flatpack spart viel Volumen und damit CO2 beim Transport, und das unbehandelte Holz kann problemlos recycelt werden.
Bei MAGAZIN ist man also rundum zufrieden – das spiegelt der Name des Neuzugangs wieder: „Wir sind glücklich, dass wir dieses ambitionierte Projekt gemeistert haben, unsere Kriterien einhalten konnten – und darüber hinaus einen marktfähigen Verkaufspreis erzielen können“, erklärt Daniel Kern. „Deshalb steht der Name EINSER für unseren ersten Stuhl und ist auch ein bisschen die augenzwinkernde Schulnote, die wir uns dafür gegeben haben.“
DANIEL KERN
Daniel Kern schätzt den Austausch mit den Partnerbetrieben von MAGAZIN. „Wir sind immer auf der Suche nach Entwürfen, die für Jahre in der Kollektion Bestand haben. Sie entstehen oft in Abstimmung mit den Personen, die später in der Produktion verantwortlich sind“, sagt der Leiter der MAGAZIN-Produktentwicklung. Auch Stuhl EINSER wäre ohne das Engagement der Holzspezialisten von L.ask in Slowenien nicht möglich gewesen.
Stuhl EINSER
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